von Kropje Swiehne

Da kam Freude auf, ja es war quasi ein Fest, wenn in früheren Jahren ein Schwein geschlachtet wurde.
Es soll nicht die Rede von massenweise in Schlachthöfen und Wurstfabriken sich abspielenden Vorgängen sein, sondern von dem, was im heimischen Hof oder Haus geschah.
Deshalb hieß und heißt der Vorgang ja auch Hausschlachtung.

Nicht nur Landwirte zogen Schweine auf, nein, auch Nicht – Landwirte auf dem Land.

Sofern es die räumlichen Gegebenheiten zuließen, und die gab es vielerorts zuhauf, hielt man neben ein paar Hühnern, ein oder auch zwei Hausschweine.
Die Schweine (in der Mehrzahl auf Platt nur “Söu“ genannt) wurden gemästet, was “fett jemaaht“ heißt. Da waren Drei – Zentner – Schweine keine Seltenheit, sie waren einfach das Produkt einer intensiven Mästung, wobei der fette Speck am Rücken des Tieres faustdick war.

Zentnerweise wurden Kartoffel eingekellert, wobei große Kartoffeln dem menschlichen Verzehr dienten, die Kleinen (Sausärpel genannt) zur Schweinemästung gereichten. Um den Mastvorgang der Schweine zu beschleunigen, wurde den gargekochten Kartoffeln stets eine Portion “Ruff“, ein “Mastbeschleuniger“, beigemischt.

Im Hinblick auf eine anstehende Kinderkommunion oder Hochzeit wurde schon weit im Vorfeld mit der Mästung eines Schweines begonnen und punktgenau kurz vor dem Fest die Hausschlachtung aufgerufen.
Zur damaligen Zeit, als noch alle Feste ausnahmslos zu Hause gefeiert wurden, als die “guten Stuben“ ausgeräumt wurden und die Gästeschar oftmals sehr beengt aber in hervorragender Feierlaune beisammen saß um sich an den dargebotenen Kostbarkeiten der vollzogenen Hausschlachtung zu laben.
Der zweite Tag der angesprochenen Feste gehörte fast ausnahmslos der Nachbarschaft, die es sich nicht nehmen ließ, den köstlichen Koteletten, den frischen Schnitzeln oder den wohlschmeckenden Bratwürsten bereitwillig zuzusprechen.

Doch zurück zur Schlachtung.
Pünktlich stand der Metzger zum vereinbarten Zeitpunkt auf der Matte, mit wachsamen Augen und perlendem Lachen, dass der Puls nur so davon zu galopieren drohte. Es ging ans Werk.
Direkt nach der Schlachtung wurde die faustdicke Schwarte von den Haaren gesäubert. Je nach Vorgehensweise des Metzgers abgeflämmt oder abgebrüht, heißes Wasser war in einem Waschzuber  (et Pännche) aufbereitet worden.

War dieser Arbeitsgang erfolgreich beendet, wurde die Sau an den Hinterbeinen hängend an einem Tor oder an einer Leiter angebracht, so dass der Metzger stehend den Aufbruch verrichten konnte.
Bevor dies geschah, hieß es aber:“ Ist die Sau dann aufgehängt, wird erstmals einer ausgeschenkt“. Na, dann Prost.

Schlachtung Bild 2v.l.: Hermann Siemen, Johann Jordan, Rony Engels

Kleinere Innereien der Sau wurden verworfen, nicht aber Herz, Leber, Nieren, Lunge, Därme, Magen oder das Blut. Selbst die Schweinsblase konnte Beachtung finden. Getrocknet und aufgeblasen diente sie nicht selten als Fußball.
Etwas vom Schwein verkommen zu lassen, stand nicht im Drehbuch. Verwertet wurde fast alles, wie es seit Menschen Gedenken unsere Vorfahren vorgelebt und zu Schmackhaften verarbeitet hatten.

Strahlende Gesichter, vergleichbar mit rosarotem feinem Schinken, begleiteten das Werk des Metzgers. Selbst der zufällige Hofhund verfolgte angespannt die Szenerie, denn er wußte genau, dass es für ihn nun auch einen Festtag gegeben würde. Seine Gesinnung spazierte schon auf Wolkenspitzen.

Vom Schädel wurde Sülze gekocht. Füße und Schwanz wurden gargekocht und mit Wonne verzehrt.
Das Blut vom toten Tier wurde aufgefangen, in eine Zinkwanne gefüllt und frische Speckwürfel zugegeben. Dann wurde die Masse mit der Hand solange gerührt oder geschlagen bis sie eindickte. War dies der Fall, wurde sie in umgekrempelte und gründlich gesäuberte Därme gestopft, und zusammen mit einer Vielzahl von Leber- und Mettwürsten gekocht und dann geräuchert.
Bevor dies alles geschehen konnte, mußte erst durch den Trichinenbeschauer die Unbedenklichkeit auf Verzehr gegeben werden.

Eine kleine Anekdote aus der Kriegszeit: Der Tierarzt nahm die Trichinenschau bei einer Hausschlachtung vor. Die betreffende Familie hatte nicht nur ein Schwein geschlachtet, sondern deren zwei. Dies war zu dieser Zeit strengstens verboten.
Die Schlachtung war durch die örtliche “Nazi – Kommandantur“ zu genehmigen, wobei gleichzeitig von dieser der Termin für eine nächste Schlachtung festgelegt wurde. Vor diesem Termin ging dann gar nichts mehr.
Schlachtung Bild 3
Was also tun? Die Hausfrau legte nun zu der Lunge des ersten Schweins die des anderen Schweines hinzu. Sie vertraute ihrer Schlitzohrigkeit, um so die Unbedenklichkeit für die nicht genehmigte Schlachtung zu erhalten. Sie mimte die “Gleichgültige“, die “Nichtwissende“, "die Ahnungslose".
Der Tierarzt untersuchte die Lungen “beider“ Tiere und gab sie zum Verzehr frei.
Die Frau war erleichtert, sie triumphierte innerlich, bis der Tierarzt bemerkte, dass ihm noch nie während seiner jahrelangen Praxis eine Sau mit vier Lungen untergekommen sei. Diese hier sei ein tierisches Naturwunder, das noch weiter zu untersuchen sei. Er machte sich mit einer beängstigenden Geschwindigkeit an die Arbeit.
Sie war aber für diesen Fall gewappnet, sie hatte vorgesorgt, doch ihr blasses Gesicht verriet eine gewisse Unsicherheit. Mit schüchternen braunen Augen blickte sie den Tierarzt an, dessen vorgeschobenes Kinn seinem Gesicht das Aussehen eines furchterregenden Wikingerlangschiffes gab.
Ein großes, fertig verpacktes frisches Stück Fleisch wechselte ohne Worte im Nu den Besitzer. Zufriedenheit auf beiden Seiten: Die Familie war Dank der Verschwiegenheit des Tierarztes um die Repressalien durch die “Partei“ herumgekommen, und die Familie des Tierarztes konnte sich am köstlichen Braten laben.

Geräuchert wurden auch Schinken und Speck. Zuerst wurden diese Teile in einer köstlichen Salzlake etliche Tage eingepökelt um dann in den Rauch gehangen zu werden.
Fast jedes Haus verfügte in früheren Jahren über eine Räucherkammer (et Rööches), meist im oberen Teil des Schornstein auf dem Speicher (op em Spicher). Dieser Zustand, es handelte sich bei den Häusern um sehr viel Fachwerk, würde heute keiner Kontrolle mehr standhalten. Bei Behördenvertretern und Brandschützern würde dies zu Schweißausbrüchen führen, die Haare würden, so noch welche vorhanden, ohne mit Gel eingeschmiert zu sein, wochenlang gen Himmel ragen.

Und dann das Räuchergut. Es wurde nicht nur mit feinem Buchenholz und unter Zugabe von Wachholderbeeren, wie heutzutage von Gourmets aufoktruyiert wird, woher sollte man auch in den schlechten Zeiten derartiger Sachen habhaft werden, geräuchert.
Nein, es wurde “praktischer“ vorgegangen. Als erstes wurde ein Brikett (ne Klütt) angebrannt und ins “Rööches“ eingelegt. Darauf kamen dann Sägemehl sowie in vielen Fällen noch Fichtengrün. Der Räuchervorgang konnte beginnen.
Von möglichen krebserregenden Substanzen hatte man zu jenen Zeiten keine Ahnung. Heute würden sich tausende Nahrungs- und Gesundheitsexperten in allen verfügbaren Medien einbringen, um auf eventuelle aus einem solchen Räuchervorgang zu erwartenden Gesundheitsschäden in schrillen Tönen hinzuweisen.

Gesund mögen die Würste (die Wüersch), der Speck und der Schinken (de Schönk), bedingt durch die angewandte Räucherpraxis, vielleicht nicht gewesen sein, aber sie waren lecker.